Schönheitsprämien im Job Schöne Deutsche und unattraktive Amerikaner verdienen mehr Geld

Seit Jahren erforschen Ökonomen darüber, ob das Aussehen die Höhe des Gehalts beeinflusst. Eine US-Studie hinterfragt jetzt die Existenz einer solchen „Schönheitsprämie“. Und stößt auf massive Kritik.

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Was wir an Menschen äußerlich attraktiv finden
Ebenmäßige Haut Egal, ob Mann oder Frau: Forscher haben in verschiedenen Studien weltweit belegt, dass eine glatte und makellose Haut bei Menschen grundsätzlich ein Zeichen für Attraktivität ist. Eine makellose Haut symbolisiert für Menschen zum einen Jugendlichkeit, zum anderen Gesundheit. Damit wird sie zu einem der wichtigsten Merkmale für Attraktivität. Quelle: imago images
bei Männern spielt die Größe eine wichtige Rolle Quelle: imago images
Beine Keine Überraschung: Haben Frauen überdurchschnittlich lange Beine, wirken sie attraktiver. Polnische Wissenschaftler haben diesen Fakt überprüft, indem sie Probanden Fotos von Frauen vorgelegt haben. Die eine Gruppe bekam das Originalfoto mit der richtigen Beinlänge gezeigt. Die anderen Probanden sahen das gleiche Bild, allerdings wurden die Beine der Frauen dort um 5, 10 oder 15 Prozent digital verlängert. Das Ergebnis: Die Frauenfotos, auf denen die Beine 10 Prozent länger waren als normal, gefielen den Probanden eindeutig am besten. Zu lang gibt es aber auch. Denn die 15 Prozent längeren Beinen wirkten für die Mehrheit der Testpersonen wiederrum ebenfalls unattraktiv. Quelle: imago images
Symmetrie Besonders symmetrische Gesichtszüge heißt besonders schönes Gesicht. Das heißt, wenn die rechte und linke Gesichtshälfte übereinander gelegt werden, bedeutet es: Je identischer sie sind, desto schöner wird das Gesicht. Studien, in denen Gesichter gemorpht werden, also am Computer so bearbeitet, dass die beiden Seiten spiegelgleich sind (etwa dadurch, dass nur eine Gesichtshälfte verwendet wird und gespiegelt wird) belegen immer wieder, dass wir symmetrische Gesichter besonders schön finden. Quelle: imago images
ProportionenEntscheidend für ein attraktives Erscheinungsbild sind auch die Proportionen. Genauer gesagt das Verhältnis zwischen Taillenumfang und Hüftumfang. Forscher haben ermittelt, dass bei Männern der optimale Durchschnittswert zwischen 0,9 und 1 liegt. Bei Frauen liegt der Wert bei 0,7. Quelle: imago images
Kindchenschema in Perfektion: Brigitte Bardot Quelle: dapd
Model wird für eine Modenshow geschminkt Quelle: REUTERS

Zahlt sich gutes Aussehen mit barer Münze im Job aus? Eine neue Studie stellt die seit Jahren vorherrschende These einer „Schönheitsprämie“ zumindest für den US-Arbeitsmarkt in Frage. Oft verdienten die am wenigsten attraktiven Menschen sogar mehr als besser aussehende, schreiben Satoshi Kanazawa von der London School of Economics und Mary Still von der University of Massachusetts im „Journal of Business and Psychology“. Statt Schönheit seien Merkmale wie Gesundheit, Intelligenz und günstige Persönlichkeitsfaktoren ausschlaggebend für bessere Bezahlung. Andere Experten widersprechen: Die Studie habe gravierende Schwächen.

Kanazawa und Still legten ihrer Auswertung die Langzeitstudie „Add Health“ zugrunde. Junge US-Amerikaner waren dafür zwischen 1994 und 2008 in fünf Wellen zu zahlreichen Aspekten befragt worden. Zu Beginn waren die über 20.000 Teilnehmer, die auch im Aussehen bewertet wurden, durchschnittlich 16 Jahre alt, am Ende 29 Jahre.

Anhand ihrer Daten untersuchte das Team drei Punkte, die nach Ansicht vieler Kollegen zu einer Gehaltskluft zwischen attraktiven und weniger gut aussehenden Menschen führen: Diskriminierung durch Arbeitgeber, Kollegen oder Kunden, Selbstbeschränkung der Betroffenen auf bestimmte Berufsfelder und individuelle Unterschiede.

Dass sehr unattraktive Menschen vergleichsweise viel Geld verdienten, widerspricht nach Auffassung der Autoren der These, dass sie eher diskriminiert werden. Auch für finanzielle Nachteile durch Selbstbeschränkung fanden die Forscher keine Bestätigung.

Bei letztem Punkt versuchten sie, statt Attraktivität die Merkmale Gesundheit, Intelligenz und positive Persönlichkeitsaspekte in ihrer finanziellen Auswirkung zu berechnen. Hier fanden sie ihrer Auffassung nach deutliche Belege. Sprich: Jemand werde zwar möglicherweise als „schön“ eingestuft, bekomme aber de facto deshalb mehr Geld, weil er intelligenter, gesünder und in seiner Persönlichkeit offener und positiver sei.

Diese Faktoren beeinflussen Ihr Gehalt
älterer Mann im Büro am Computer Quelle: Fotolia
Euro-Münzen liegen auf einer Karte mit dem Bundesland Hessen. Quelle: dpa
Frauen mit verschiedenem Gewicht Quelle: dpa
Kandidatinnen bei Germany´s Next Topmodel Quelle: dpa
Fußballer rasieren sich Quelle: REUTERS
Eine Frau Quelle: Fotolia
Einem Mann kommt Rauch aus den Ohren (Symbolbild) Quelle: Fotolia

Für den Pionier der Attraktivitätsforschung, den US-Ökonomen Daniel Hamermesh („Beauty Pays“) von der University of London, lässt die Studie einige strukturelle Fragen offen. Andere Arbeiten seien ebenfalls auf Basis der „Add Health“-Daten zu Ergebnissen gekommen, die die These der „Schönheitsprämie“ voll stützten. „Das einzige „ungewöhnliche“ Ergebnis ist ein Blick auf die winzige Fraktion der jungen Leute, die als sehr unattraktiv eingeschätzt werden - eine viel zu kleine Gruppe“, erläutert Hamermesh.

In der Tat werden dieser Gruppe höchstens 280 Teilnehmer zugeordnet, während in anderen mehr als 4500 zu finden sind. Auch Arbeitsökonom Thomas Bauer vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hält die allgemeine Aussage, dass sehr unattraktive Menschen mehr verdienen als viele besser aussehende, auf dieser geringen Datenbasis für schwer haltbar.

In Deutschland sorgt Schönheit für ein Gehaltsplus

Zudem habe das angeführte mittlere Einkommen der einzelnen Gruppen keine wirkliche Aussagekraft. „Es berücksichtigt zum Beispiel nicht, wie viele unattraktive Menschen gar keinen Job finden“, sagt Bauer. Auf Deutschland übertragbar seien US-Ergebnisse ohnehin nicht. „Die Situation ist hier eine andere.“ Es gebe Tarifverträge, Gleichstellungsbeauftragte und in vielen Fällen auch Betriebsräte, die bei Einstellungsgesprächen dabei seien.

Eva Sierminska hat die Frage 2015 in Deutschland untersucht. Die Ökonomin, die unter anderem am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) tätig ist, bilanziert darin: „Für Frauen haben wir eine durchschnittliche „Schönheitsprämie“ von zwei bis vier Prozent am unteren Ende der Gehaltsverteilung gefunden.“ Für Männer liegt das Einkommensplus für gutes Aussehen demnach sogar bei fünf bis sieben Prozent und zieht sich durch alle Gehaltsstufen.

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