Gestiegene Kosten im Studium So prekär ist die finanzielle Lage der deutschen Studenten

Quelle: imago images

Miete, Heizkosten, Lebensmittel: Die Inflation hat für viele Studierende massive Konsequenzen. Weit mehr als die Hälfte musste sich mit Essengehen, Einkaufen und Freizeit zurückhalten – und geht davon aus, dass die finanziellen Einschränkungen weiter zunehmen. In den Plänen der Bundesregierung, das Bafög zu kürzen, sehen Experten deswegen ein fatales Signal.

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Sieben Prozent klingt nach: nicht viel. Vor allem im Vergleich zu den anderen Werten der Umfrage unter 15.500 Studierenden in Deutschland: 64 Prozent von ihnen sagen darin, wegen der Preissteigerungen im Wintersemester 2022/23 weniger in Restaurants gegangen und Essen bestellt zu haben, und 61 Prozent gehen davon aus, die Einschränkungen nähmen eher weiter zu.

Aber sieben Prozent sind hochgerechnet eben auch rund 200.000 junge Menschen – die ihr Studium aufgrund wirtschaftlicher Zwänge unterbrochen oder ganz aufgegeben haben. Das ist das aktuelle Ergebnis der Langzeitstudie „Fachkraft 2030“ von der Universität Maastricht und des Karriereportals Jobvalley. Und es in eine bedenkliche Zahl in einer Zeit, in der die Bundesregierung das Bafög kürzen will, die Unterstützung also für Studierende mit wenig Geld. Die Staatskasse soll laut aktuellem Haushaltsentwurf auf Seiten der Studierenden mehr als 400 Millionen Euro beim Bafög einsparen.

Clemens Weitz, Geschäftsführer von Jobvalley, kritisiert das. Setzt die Regierung ihren Plan um, würde dies den Bafög-Topf um 20 Prozent schmälern. Dabei sehe der Koalitionsvertrag „eigentlich deutliche Verbesserungen, verbunden mit einer Bafög-Reform“ vor.

Danach sieht es erst einmal nicht aus. Mehr noch: Die finanzielle Lage vieler Studierender könnte sich weiter verschärfen. Knapper und teurer Wohnraum in den Städten und eine Inflationsrate von weiterhin mehr als sechs Prozent machen ihnen zu schaffen. Einige hören deshalb sogar auf zu studieren.

Dabei könne sich Deutschland „Studienabbrüche aus Geldmangel nicht leisten“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, vor kurzem. Denn das seien genau die künftigen Lehrer, Ärztinnen und Ingenieure, „die wir so händeringend brauchen“.

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Die finanziellen Nöte sind längst nicht bei allen Studierenden so dramatisch. Einschränkungen und Engpässe erleben jedoch weit mehr als die Hälfte. Die Studienautoren konfrontierten die Teilnehmer mit Ich-Aussagen, die sie auf das zurückliegende Wintersemester beziehen sollten. Neben den Dimensionen Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund und Akademikerhaushalt liegen auch Daten für die einzelnen Bundesländer vor.

58 Prozent sahen sich in der aktuellen Umfrage gezwungen, beim Kauf von Lebensmitteln zu sparen. Frauen mit 63 Prozent häufiger als Männer (52 Prozent).



Die Ergebnisse von Jobvalley und Uni Maastricht weisen auch regional zum Teil starke Unterschiede auf. In der Millionärsstadt Hamburg mussten unterdurchschnittlich viele ihre Ausgaben für Lebensmittel senken, aber immer noch 55 Prozent. Mit 69 Prozent lagen Studierende in Thüringen deutlich darüber – eine außergewöhnlich hohe Abweichung.



Fast das gleiche Bild ergab sich bei der Frage, ob jemand auf Sportaktivitäten, Theaterbesuche und Kinotickets verzichtet habe. Am wenigsten taten dies die Studierende in Schleswig-Holstein. Um die eigenen Kosten zu decken, gingen 36 Prozent der Befragten neben dem Studium arbeiten. Und die gestiegenen Lebenshaltungskosten bedeuten für viele mehr Arbeit: Die Zahl der gearbeiteten Stunden pro Woche ist Jobvalley zufolge im Vergleich zum Sommersemester um knapp zwölf Prozent gestiegen, auf mehr als elf Stunden.

Insgesamt 64 Prozent notierten, weniger in Imbisse und Restaurants zu gehen und Essen nach Hause kommen zu lassen. Auch in dieser Frage waren Männer deutlich weniger sparsam als Frauen. Regional erlebten die Bremer mit 72 Prozent die größten Einschränkungen in dieser Hinsicht.





Die Aussichten der Studierenden sind trüb: Mehr als sechs von zehn sind „(eher) besorgt, dass Einschränkungen zunehmen“. Frauen sind mit 66 Prozent deutlich pessimistischer als Männer (55 Prozent), noch interessanter aber ist etwas anderes: Brandenburg. Gar 72 Prozent der Studierenden gehen dort von einer Verschlechterung der Lage aus.

In keinem anderen Bundesland arbeiten so viele Studierende. Höchstwerte erreichen die Brandenburger auch bei der Frage nach der Wohnungsnot: Ein Viertel gab an, seine Wohnsituation verändert haben zu müssen, sieben Prozentpunkte mehr als im landesweiten Durchschnitt. Zwar sparten sie deutlich weniger beim Heizen als andere, dafür aber am zweitmeisten an Lebensmitteln und Reisen.



Genau ein Drittel der Männer und 28 Prozent der Frauen haben im vergangenen Wintersemester eine Reise abgesagt oder umgeplant. Deutlich größer fällt in dieser Frage der Unterschied zwischen Studierenden ohne und mit Migrationshintergrund aus: 36 Prozent derjenigen aus einer Einwanderfamilie änderten ihre Reisegewohnheiten, bei den anderen waren es nur 24 Prozent. Studierende ohne Migrationshintergrund sparten stärker bei Energiekosten und Lebensmitteln.

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