Feedback-Kultur Wie Chefs ihre Mitarbeiter richtig loben

Lob kann Menschen enorm motivieren. Doch wer die Grundregeln missachtet, erreicht das Gegenteil. Welche Macht warme Worte haben - wenn Führungskräfte sie richtig einsetzen.

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An das wichtigste Lob ihrer Karriere erinnert sich Sibylle Stauch-Eckmann noch genau – auch wenn es schon 20 Jahre her ist. Damals arbeitete sie als junge Projektmanagerin bei einem Unternehmen für Medizintechnik, eines Tages saß sie bei einem Treffen mit der Geschäftsführung. Um sie herum lauter gleichrangige Kollegen, alles Männer. Plötzlich lobte ihr damaliger Vorgesetzter sie vor versammelter Mannschaft – und nannte ihre Arbeit vorbildlich. „Das hat viele meiner Unsicherheiten mit einem Schwung beseitigt“, sagt die 46-Jährige, heute Vorsitzende der Geschäftsführung der Ober Scharrer Gruppe, einer privaten Kette von Augenkliniken und medizinischen Versorgungszentren.

„Inmitten dieser aufgeblasenen Egos wurde meine Leistung anerkannt. Dafür bin ich bis heute dankbar.“

Feedback-Gespräche sind selten

Nur jeder zweite deutsche Angestellte hatte in den vergangenen zwölf Monaten überhaupt die Chance, seinen Vorgesetzten zum Feedbackgespräch zu treffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Gallup. Und im Jahr 2013 erklärten in einer Studie des Wiener Start-ups Kraftwerk Anerkennung zwei Drittel der befragten Mitarbeiter, sie würden selten oder sogar nie gelobt.

„Lob ist am Arbeitsplatz genauso wichtig wie im Privatleben – falls es aus echter Überzeugung verteilt wird.“Niels Van Quaquebeke, Psychologe Quelle: Illustration: Stephanie Wunderlich

Dabei sind die positiven Folgen von Zuspruch mehrfach bewiesen, sowohl für den Einzelnen als auch für das gesamte Unternehmen. Ein Lob kann das Selbstbewusstsein stärken und die Motivation steigern. Menschen wagen sich danach voller Zuversicht auch an schwierige Aufgaben.

Erst recht, wenn die Anerkennung vom Chef kommt. Jeder zweite Deutsche schätzt die verbale Würdigung vom Vorgesetzten sogar mehr als das von seinem Partner oder seinen Freunden, ergab im Jahr 2015 eine Forsa-Umfrage unter 2000 Personen.

Lob ist wichtig

Die Managementexperten Adrian Gostick und Chester Elton fanden außerdem heraus: Wer sich in seinem Job geschätzt fühlt, kündigt seltener und lobt andere seinerseits häufiger. „Lob ist am Arbeitsplatz genauso wichtig wie im Privatleben“, sagt Niels Van Quaquebeke, Managementprofessor von der Kühne Logistics Universität in Hamburg. „Allerdings nur, wenn es nicht pauschal oder berechnend verteilt wird, sondern aus echter Überzeugung und für konkrete Leistungen.“

Tatsächlich ist richtig zu loben eine Kunst, die nicht jeder Vorgesetzte beherrscht. Der eine lobt schon Selbstverständlichkeiten derart überschwänglich, dass er sich unglaubwürdig macht. Der andere geizt mit Freundlichkeiten so sehr, dass Antrieb und Teamgeist seiner Mitarbeiter absacken.

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Auch Johannes Schaback glaubt, dass er früher zu wenig lobte. Der 35-Jährige ist Gründer und Geschäftsführer von Visual Meta. Das Berliner Start-up betreibt heute digitale Einkaufsportale in 14 Ländern. Doch diese Erfolgsgeschichte war zu Beginn nicht absehbar, entsprechend unsicher war Schaback. Ohne jegliche Berufserfahrung war er plötzlich Geschäftsführer: „Ich habe unterschätzt, wie gut ein Wort der Anerkennung tut“, sagt er heute.

Bleibt Lob nach erheblichen Anstrengungen ständig aus, sind manche Menschen nicht nur seelisch enttäuscht. Sie reagieren sogar körperlich. Im Gehirn sind dann Stressreaktionen messbar, belegte der Düsseldorfer Medizinsoziologe Johannes Siegrist in zahlreichen Studien. Die Betroffenen leiden am „erdrückenden Gefühl, vom Chef für die geleistete Arbeit nicht geschätzt zu werden“, sagt der Forscher. Und das ist eine schwere Kränkung unserer tief sitzenden Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Fehlt die Anerkennung dauerhaft, können sich deshalb schwere Krankheiten entwickeln, etwa Diabetes oder Depressionen.

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