Thomas Sattelberger, Ex-Personalvorstand der Deutschen Telekom, will nicht mehr von "Mitarbeitern" oder "Angestellten" sprechen, sondern von "Unternehmensbürgern". Für ihn steht fest, wie er kürzlich im Interview mit der "Zeit" sagte: "Das Unternehmen der Zukunft wird demokratischer sein als heute, die Beschäftigten reden künftig stärker mit."
Demokratie im Unternehmen? Bei Haufe-umantis, einem Anbieter von Personalmanagement-Software mit rund 120 Mitarbeitern, ist das seit einigen Monaten Realität. Der Gründer des heute zur Haufe-Gruppe gehörenden Unternehmens, Hermann Arnold, hat dazu selbst den Anstoß gegeben. Im November 2013 stellten sich alle Führungskräfte dem Votum durch ihre 120 Mitarbeiter. 25 Kandidaten, angefangen mit CEO Marc Stoffel, standen für 21 führende Positionen zur Wahl. Dabei wurden elf Vorgesetzte in ihrer Position bestätigt, sieben Mitarbeiter in das Management befördert. Drei Stellen werden extern besetzt; eine Führungskraft wurde abgewählt.
„Wir sind davon überzeugt, dass Haufe-umantis erfolgreicher ist, wenn wir Mitarbeitern Vertrauen schenken und sie mitbestimmen lassen. Bisher haben wir diesen Ansatz bei der Strategieentwicklung und bei Einstellungsentscheidungen gelebt – jetzt auch bei der Wahl der gesamten Führungsriege“, sagt Stoffel.
Wie funktionierte die Wahl? Auf anonymisierten Stimmzetteln konnten die Mitarbeiter nicht nur ihre Vorgesetzten bestätigen oder abwählen, sondern auch Empfehlungen und Erwartungen an sie vermerken. Nur wer mehr als 50 Prozent Zustimmung erhielt, war gewählt.
"Wir merken, dass die Mitarbeiter motivierter und auch glücklicher sind, wenn sie sich in Entscheidungen einbringen können", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Aber das bedeute auch, dass man sich nicht mehr auf den Standpunkt zurückziehen kann: Der Chef ist schrecklich schlecht, daran kann ich nichts ändern, und darum kann ich auch nicht vernünftig arbeiten.
Mit der Wahl seien für die Betroffenen auch Enttäuschungen und schwierige Situationen verbunden, gibt Stoffel zu. „Auch starke Persönlichkeiten müssen meistens erst lernen, mit offener Kritik umzugehen. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Diese Wahl ist kein Marketing-Gag und auch kein Selektionsprozess. Es geht darum, aus den Ergebnissen gemeinsam Schlüsse zu ziehen: Welche Erwartungen hat das Team, welche Rolle kommt der Führungskraft zu und welches Verständnis hat sie selbst davon?“ Die größte Herausforderung sei jetzt, diejenigen, die nicht gewählt oder abgewählt worden sind, in ihrer Rollenfindung unterstützen, so Stoffel.
Das kleine Unternehmen sieht sich auch als gesellschaftlicher Vorreiter. Bei anderen Unternehmen, nicht zuletzt bei Kunden des Personaldienstleisters, erkenne man ein großes Interesse an einem Wandel des Verhältnisses und der Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, sagt Haufe-umantis-Sprecher Bernhard Münster. Allerdings: Demokratische Wahlen aller Führungskräfte seien sicher nicht für jedes Unternehmen sinnvoll. In einem Betrieb, in dem im Akkord Industriegüter produziert werden, womöglich gar nicht, und in großen Konzern, in denen nicht jeder jeden kennt, möglicherweise nur in einzelnen Einheiten.