Spielzeugpuppe „Cayla“ Spionage im Kinderzimmer alarmiert Bundesbehörde

Viele Kinder nutzen Spielzeug aus dem Mobil- oder Computerbereich. Das ist nicht ohne Risiko. Die Bundesnetzagentur hat jetzt eine Puppe als Spionagegerät eingestuft und verboten. Auch Verbraucherschützer sind alarmiert.

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Auf der Internetseite von „My friend Cayla“ wird derzeit noch für die gleichnamige Puppe geworben. Quelle: Screenshot myfriendcayla.de

Berlin Die Bundesnetzagentur hat ein Verkaufsverbot gegen die von der hessischen Firma Vivid vertriebene Spielzeugpuppe „My friend Cayla“ verhängt. Aufgrund von Erkenntnissen europäischer Verbraucherschützer sei man auf das interaktive Spielzeug „als verbotenes Spionagegerät“ aufmerksam geworden, sagte der Sprecher der Behörde, Olaf Peter Eul, dem Handelsblatt. Die Bundesnetzagentur gehe gegen solche „versteckte, sendefähige Anlagen im Kinderzimmer“ vor.

„Spielzeug, das funkfähig und zur heimlichen Bild- oder Tonaufnahme geeignet ist, ist verboten“, betonte Eul. Dies sei in Paragraf 90 des Telekommunikationsgesetz (TKG) so geregelt. „Die Puppe Cayla fällt nach unseren Prüfungen unter das TKG.“ Diese Regelung betrifft demnach sowohl Hersteller, Verkäufer und Käufer von Spielzeugen, die als Sendeanlagen eingestuft werden. Von der Firma Vivid war auf Nachfrage des Handelsblatts zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.

Auf der Internetseite von „My friend Cayla“ wird derzeit noch für die gleichnamige Puppe geworben. Über ein mit Bluetooth gekoppeltes Smartphone, auf dem eine zugehörige App läuft, ist „Cayla“ mit dem weltweiten Netz verbunden. Gesprächspartner können ihr Fragen stellen und mit ihr reden. Dank bluetoothfähigem Mikrofon und Lautsprecher antwortet die Puppe mit Informationen aus dem Internet. Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels zeichnete sie 2014 als „Top 10 Spielzeug des Jahres“ aus. Bei Verbraucherschützern ist „My friend Cayla“ wegen Sicherheitslücken und Datenschutzfragen schon seit längerem umstritten.

Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller fordert ein generelles Verbot solcher internetfähiger Puppen. „Sprechende Puppen können Kindern sicher Spaß bringen – doch bitte nicht um jeden Preis“, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) dem Handelsblatt. „Wenn Puppen Kinder und ihre Eltern bespitzeln, ist das eine Verletzung der Privatsphäre. Solche Produkte gehören grundsätzlich vom Markt.“

Die Bundesnetzagentur warnt, dass gerade vom Spielzeug als Spionagegerät Gefahren ausgingen. „Ohne Kenntnis der Eltern können die Gespräche des Kindes und anderer Personen aufgenommen und weitergeleitet werden“, sagte Behörden-Sprecher Eul dem Handelsblatt. „Über das Spielzeug könnte ein Unternehmen dann das Kind oder die Eltern individuell mit Werbung ansprechen.“ Zudem, so der Sprecher weiter, könne ein Spielzeug, wenn die Funkverbindung wie Bluetooth vom Hersteller nicht ausreichend geschützt werde, „von in der Nähe befindlichen Dritten unbemerkt genutzt werden, um Gespräche abzuhören“.


„Cayla ziehen wir aus dem Verkehr, wo immer wir dies können.“

Die Behörde hat Internet-basierte Dienste schon länger im Visier. Zwar profitierten Verbraucher grundsätzlich von solchen Innovationen, erklärte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, im Januar in einer Rede. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die massenhafte Erfassung, Verknüpfung und Auswertung von personenbezogenen Daten gleichzeitig auch immer „detailliertere Einblicke in das Verhalten und die Gewohnheiten der Verbraucher“ ermögliche. „Smarte Fernseher oder digitale Assistenten, die über ihre Sprachsteuerungsfunktion Gespräche mithören und an Dritte weitergeben, sind hier sicher extreme Beispiele für die neuen Möglichkeiten der Datenerfassung“, so Homann.

Doch wer die sprechende Puppe Cayla kenne, der wisse, dass diese Form der „Alltagsspionage schon in die Kinderzimmer vorgedrungen“ sei. Er erinnerte daran, dass seine Behörde erst kürzlich vor der zunehmenden Verbreitung von Mini-Kameras etwa in Rauchmeldern, Weckern oder Kugelschreibern gewarnt habe, mit denen heimlich Filmaufnahmen gemacht werden können. „Dies ist nicht erlaubt und ruft uns deshalb als Verbraucherschützer auf den Plan“, betonte Homann und fügte hinzu: „Cayla ziehen wir aus dem Verkehr, wo immer wir dies können.“

Das Spielzeug wurde jetzt auch in einem Rechtsgutachten der Universität des Saarlands als problematisch eingestuft, da die Puppe ein „erhebliches Missbrauchspotenzial“ berge. Der Autor der Untersuchung, Stefan Hessel, stuft die Puppe – wie die Bundesnetzagentur – als eine verbotene Sendeanlage ein. „Jedes bluetoothfähige Gerät in Reichweite von etwa zehn Metern kann eine Verbindung zu ihr aufbauen und Lautsprecher und Mikrofon nutzen“, sagte er. „In einem Versuch hatte ich auch über mehrere Wände hindurch auf die Puppe Zugriff. Es fehlt an eingebauten Sicherungen.“ Also könne die Puppe auch gezielt eingesetzt werden, um jemanden auszuspionieren oder sich mithilfe des Mikrofons selbst aktiv ins Gespräch einzuschalten.

Die Technik verbirgt die Puppe in ihrem Innern, Kleider verdecken den Lautsprecher. „Die Puppe vermittelt für sich genommen den Eindruck, dass es sich um ein gewöhnliches Kinderspielzeug ohne technische Funktion handelt“, sagte Hessel. Zwar soll die Halskette der Puppe leuchten, wenn das Mikrofon eingeschaltet ist. Doch zum einen funktioniere dieses Signal nach Herstellerangabe bei einigen Android-Geräten nicht, so dass die Halskette trotz eingeschaltetem Mikrofon nicht leuchte. „Zum anderen“, so Hessel, „kann das Leuchten mittels der App ausgeschaltet werden.“ Aus technischer Sicht sei es also möglich, auf das Mikrofon zuzugreifen, ohne dass dies angezeigt werde. Außerdem habe das Leuchten nur für eingeweihte Personen eine Warnfunktion. „Nur weil eine Kette an einer Puppe leuchtet, rechnet man nicht mit einem eingeschalteten Mikrofon“, erklärte Hessel.


Bundesnetzagentur erwägt weitere Verbote von Spielzeug

Rechtliche Bedenken gegen Spielzeug sind nicht zu unterschätzen, zumal es um einen Milliardenmarkt geht. Der Handelsverband Spielwaren (BVS) rechnet für 2016 mit einem deutlichen Umsatzzuwachs in Deutschland. Allerdings werden erst im März 2017 im Rahmen des Eurotoys-Verbraucherpanels endgültige Gesamtmarktzahlen über alle einzelhandelsrelevanten Vertriebswege vorliegen.

Der Verband hat indes schon „eindeutige Signale“ für ein Umsatzplus ausgemacht. „Die Deutschen haben noch nie so viel für Spielzeug ausgegeben“, sagte BVS-Geschäftsführer Willy Fischel. „Wir rechnen fest damit, dass mindestens drei Prozent Umsatzplus eingefahren wurden. Damit knackt die Branche auf jeden Fall die Drei-Milliarden Euro-Grenze.“ Fischel betonte: „Klassisches Spielzeug, die Digitalisierung und der Wechsel von der Produkt- zur Themenvermarktung treiben den Markt.“

Nach dem Fall der Puppe Cayla steht der Spielwarenmarkt allerdings unter besonderer Beobachtung. „Die Bundesnetzagentur wird noch mehr interaktives Spielzeug auf den Prüfstand stellen und wenn nötig verbieten“, sagte Behördensprecher Eul, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben seien. Für ein Verbot müssen bestimmte Voraussetzung erfüllt sein: Die Gegenstände müssen entweder „ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen“ oder „als Gegenstände des täglichen Gebrauchs verkleidet sein“. Dadurch wäre das Spielzeug dazu geeignet, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.

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