Doch der schon immer verschlossene Unternehmer zieht sich mit zunehmendem Erfolg immer weiter zurück. Einschneidend muss die Entführung seiner Kinder 1987 gewesen sein. Danach verschanzen sich die Schleckers hinter den hohen Mauern ihrer Villa Ehingen oder im Büroturm der Unternehmenszentrale. Dort regiert Schlecker von der siebten Etage aus durch.
Kaum eine Entscheidung, die er nicht selbst trifft, kaum ein Schriftstück, das nicht über seinen Schreibtisch geht. Ein wahrer Aktenfresser sei er, raunen die Mitarbeiter. Die Rolle des sparsamen und geheimniskrämerischen e.K. hat Schlecker verinnerlicht. „Die Verwaltung war ungefähr nur ein Drittel so groß wie vergleichbare Unternehmen“, wird Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz später konstatieren.
Neben sich duldet Anton Schlecker nur seine Frau Christa, die Kinder Lars und Meike und wenige alte Weggefährten. Die Manager, die es gibt, tragen Titel, haben in der Realität aber wenig zu melden. Warnende Worte, dass der Kurs dringend korrigiert werden muss, verhallen lange. „Schlecker war – wie viele andere Patriarchen in der deutschen Wirtschaft – sicherlich beratungsresistent und hat zu spät auf die Krise seines Unternehmens reagiert“, sagt Geiwitz im Interview mit der WirtschaftsWoche.
Dabei zeigen sich die Probleme spätestens 2000. Unter den Schleckerfilialen sind Tausende, die sich nicht rechnen. Aufs ganze Unternehmen gerechnet, ist der Umsatz je Quadratmeter im Vergleich zur Konkurrenz verschwindend gering. „Schlecker ist das unproduktivste Unternehmen der Branche!“, ätzt Konkurrent und dm-Chef Werner einmal.
Die Kunden beginnen einen Bogen um die Filialen zu machen. Zu schlecht ist das Image, zu nah die Konkurrenz. Zumal nur noch die flackernden Neonröhren billig wirken. Immer häufiger kann Schlecker die Preise der Konkurrenz nicht mehr unterbieten.
Schleckers Stärken werden zu seinen Schwächen: Die Billigmasche funktioniert nicht mehr, sein Einzelgängertum macht das Drogeriereich unkontrollierbar und die Abhängigkeit von den Lieferanten, die Schlecker zu kontrollieren glaubte, rächt sich. Sie beginnen Schlecker den Hahn zuzudrehen und bessere Konditionen zu fordern. Die Folgen: Der Umsatz stagniert, das Ergebnis dreht rasant ins Minus.
"Willst du den sicheren Ruin eines Unternehmens", sagte Schlecker 2005 fast schon prophetisch einem Journalisten der Zeit, "gib ihm 30 Jahre Erfolg". Willst du einen blinden Unternehmer, blende ihn 30 Jahre mit Erfolg, hätte er wohl auch sagen können.
Recherchen der WirtschaftsWoche zeigen, wie die Kernschmelze im Unternehmen ablief. Es sei "fünf vor 12" wetterte Anton Schlecker etwa im Juli 2009 vor seinen Managern. Schließlich holt er sich Berater ins Haus. Der stolze e.K. gewährt den verhassten Powerpoint-Strategen Einblick in sein Zahlenreich. Doch die Kurskorrekturen kommen zu spät und sind zu zaghaft. Die Kinder Meike und Lars, die in den letzten Monaten den Alten zumindest offiziell an der Spitze ablösen, können nichts mehr bewirken.
Dass Schlecker lange glaubte, nur er selbst könne sein Lebenswerk retten, ist höchst plausibel. Ob er es tatsächlich bis zum bitteren Ende gedacht hat, muss nun das Gericht entscheiden. Einfach wird das kaum. Denn unter anderem steckte Schlecker laut seinen Verteidigern auch dann noch Millionen des eigenen Geldes in das Unternehmen, als laut Staatsanwaltschaft schon die Zahlungsunfähigkeit drohte. Dieser Vorgang, den die WirtschaftsWoche bereits im vergangenen Jahr thematisierte, wirft Fragen auf.