Als Roger Miesen zum dankbaren Fan von Donald Trump wird, steht er direkt neben dem Kanzleramt. Miesen ist Vorstandsmitglied von RWE Power, jener Sparte des Energieriesen, die das Geschäft mit der fossilen Verbrennung betreibt. In dieser Funktion ist der elegante Herr mit dem schmalen Haarkranz zum RWE-Sommerfest ins Berliner Haus der Kulturen der Welt gekommen.
Dort, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schaltzentrale von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), erreichen ihn die „breaking news“: US-Präsident Donald Trump will aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, auch um die heimische Kohleindustrie zu stärken. Er sei nicht für Paris verantwortlich, sondern für Pittsburgh, tönt Trump in Washington.
RWE-Mann Miesen kann sein Glück kaum fassen. Trump bietet ihm, dem Repräsentanten eines Konzerns mit gewaltigen CO2-Emissionen, eine perfekte Steilvorlage, um für die eigene Kohle zu werben.
Der Ausstoß von Treibhausgasen verringere sich überhaupt nicht, würden alle deutschen Kohlekraftwerke abgeschaltet, rechnet Miesen vor. In einem solchen Fall fielen nämlich die Preise für CO2-Zertifikate drastisch. Andere energieintensive Industrien kauften diese dann auf – nur um natürlich gleich wieder mehr klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre zu pusten.
Miesens Plädoyer lautet an diesem Abend in Berlin mehr oder weniger: Zu viel Klimaschutz rechnet sich nicht. Und: Ohne Kohle geht es nicht. Braunkohlekraftwerke seien unerlässlich für eine sichere Stromversorgung in Deutschland, so der RWE-Vorstand.
Nanu? In Deutschland – dem Land der Energiewende, das bis zum Jahr 2050 seine Stromversorgung zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien speisen will, Heimat von Klimakanzlerin Merkel, die gerade eine Allianz des Rests der Welt gegen Klimarüpel Donald Trump anzuführen scheint – gibt es ganz große Aufregung über Trumps Sündenfall. Aber es gibt eben auch ganz viele kleine Trumps.
Sie sind, genau wie der Amerikaner, mehr oder weniger offen Fans der Kohle. Auch sie halten zu strenge Klimaauflagen für Murks und wollen lieber an herkömmlichen Technologien festhalten.
Noch heute stammen mehr als 40 Prozent des deutschen Stroms aus Kohlekraftwerken, mit denen sich weiterhin jede Menge Geld verdienen lässt. Die heimische Kohlelobby habe schlichtweg Angst um ihr Geschäftsmodell, meint Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Das fossile Imperium würde den Kohleausstieg am liebsten verhindern.“
Manche tun dies offen, wie ein knappes Dutzend sehr konservativer CDU-Politiker, die gerade die Klimapolitik ihrer Kanzlerin infrage gestellt hatten. Ein Teil des sogenannten Berliner Kreises sprach in einer Erklärung nach Trumps Entscheidung von „moralischer Erpressung“ durch Klimaschützer – und fordert den „Abschied von deutschen Sonderzielen“.
Die Erklärung wirkte so albern, dass viele sie als Wortmeldung eines weitgehend unbekannten Trupps von Merkel-Hassern abtaten, die jede Gelegenheit nutzten, um gegen ihre Parteivorsitzende zu stänkern.
Doch es sind keineswegs nur Ewiggestrige in der CDU, die so argumentieren. In Berlin amtiert eine parteiübergreifende Koalition für die Kohle und gegen zu viel Klimaschutz.
Sigmar Gabriel gehörte als Bundeswirtschaftsminister auch dazu. Der SPD-Mann weigerte sich beharrlich, eine Jahreszahl für den Abschied Deutschlands vom schmutzigen Energieträger Kohle zu nennen. Man solle die Kohlekumpel, ob in der Lausitz oder im Ruhrgebiet, nicht verunsichern, betonte Gabriel immer wieder.