WirtschaftsWoche Online: Herr Schäfer-Klug, Opel soll von seiner amerikanischen Mutter GM an den französischen Autobauer PSA Peugeot Citroën verkauft werden. Der Chef von PSA, Carlos Tavares, hat gesagt, dass Opel sich selber sanieren müsse. Beginnt die Sanierung noch unter GM?
Wolfgang Schäfer-Klug: Bis wir nicht final verkauft sind, sind Opel und PSA immer noch Konkurrenten. PSA hat ja noch keine Eigentümerschaft über uns und kann und darf noch gar nichts entscheiden und wir dürfen derzeit auch mit PSA nicht sprechen.
Wo könnte Opel sich denn verbessern?
Ich bin Realist und weiß: Wenn Tavares hier rein guckt, sieht er noch Produktivitätsthemen. Denn viele Jahre lang ging GM sehr restriktiv mit Investitionen in die Technologie der Werke um. Normalerweise ist es so, dass man in Billiglohnländern wie Polen eher in die Menschen investiert und in Hochlohnländern wie Deutschland mehr in Automation. Doch an vielen Stellen ist das in unseren deutschen Werken nicht mehr gemacht worden. Besonders im letzten halben bis dreiviertel Jahr hat GM das dramatisch versäumt. Das könnte man auch als unfreundlichen Akt begreifen. Denn es ist noch der Job des aktuellen Eigentümers, dafür zu sorgen, dass die Werke effizient und produktiv laufen.
Zur Person
Wolfgang Schäfer-Klug ist Hesse durch und durch. 1962 in Darmstadt geboren, promoviert er nach dem Studium der Politikwissenschaften, Soziologie und Öffentliches Recht an der TU Darmstadt im Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften. Im Jahr 2000 kommt er zu Opel, zunächst als Referent des Gesamtbetriebsrats. Seit 2010 ist er Mitglied des Betriebsrats Rüsselsheim, seit 2011 auch Mitglied des europäischen GM-Betriebsrats und Mitglied im Aufsichtsrat. Seit 2012 steht der dem Opel-Gesamtbetriebsrat vor.
Im Fahrzeug-Rohbau könnte man wesentlich mehr tun. Ein Beispiel: Wir haben einen Prozess, wo wir uns gemeinsam die Wirtschaftlichkeitsrechnung von Projekten angucken. Immer wieder hatten wir zuletzt die Situation, dass wir eine Wirtschaftlichkeitsrechnung mit einem positiven Geschäftsszenario hatten – und das Geld dafür ist nicht freigegeben worden. Heute verstehe ich, wieso nicht mehr viel Geld von GM in die Hand genommen worden ist – weil die wahrscheinlich schon die Idee hatten, dass sie Opel verkaufen wollen. Doch will Herr Tavares die Werke an technische Standards anpassen, bekommen wir also ausstehende Investitionen, dann kann das am Ende auch bedeuten, dass dafür weniger Leute benötigt werden.
Opel hat seit dem Jahr 2000 Verluste geschrieben, muss da nicht mehr passieren, als schnellere Roboter zu kaufen und ein paar weniger Menschen in den Werken zu haben?
Dazu möchte ich folgendes anmerken: Opel hatte in der Vergangenheit 70.000 Beschäftigte, ist dann runter auf 35.000 und wir konnten dann in den letzten Jahren dafür sorgen, dass wieder tausende Jobs geschaffen wurden. Ein Großteil der Milliardenverluste von Opel sind daher im Grunde in Abfindungen geflossen. Hier ist ein Werk nach dem anderen von GM ohne nachhaltigen Erfolg geschlossen worden – es hat nicht zur Profitabilität geführt.
Opels Produktionsstandorte in Europa
Am Opel-Hauptsitz arbeiten 14.850 Beschäftigte, davon gut die Hälfte im Entwicklungszentrum. Die Produktion hat rund 3000 Arbeitnehmer. Sie bauen den Mittelklassewagen Insignia in mehreren Varianten, den Zafira sowie Getriebe und Komponenten.
Quelle: Reuters, Stand: 19. April 2018
Der Standort in Rheinland-Pfalz hat 2130 Beschäftigte. Sie produzieren Motoren und Fahrwerkskomponenten.
In Thüringen laufen die Kleinwagen Corsa und Adam vom Band. Im Werk Eisenach arbeiten 1790 Menschen.
In dem polnischen Werk sind knapp 3050 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bauen den Kompaktwagen Astra und das Cabrio Cascada und den Sportwagen Opel GTC. In Tychy stellen 400 Beschäftigte Motoren her.
In dem spanischen Standort bei Saragossa laufen Corsa, Meriva, der SUV Mokka und der Stadtgeländewagen Crossland X vom Band. Der Standort hat 5170 Arbeitsplätze.
Im Werk Ellesmere Port arbeiten 1470 Beschäftigte. Hier werden ebenfalls Astra-Modelle produziert.
Der Standort Luton nördlich von London hat 1240 Arbeitnehmer und baut den Kleintransporter Vivaro.
In dem österreichischen Werk nahe Wien arbeiten 1330 Menschen. Dort werden Motoren und Getriebe hergestellt.
Die Fabrik in Ungarn produziert mit 1160 Arbeitnehmern Motoren und Komponenten.
Das war das alte Denken: Hauptsache weniger Leute. Dieses Geld hat GM immer gerne ausgegeben. Aber Fakt ist auch: Jede Werkschließung belastete die Bilanz. Nicht davon zu sprechen, was es für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet hat. Das Problem ist aber auch, dass in der Diskussion viele Themen miteinander vermischt werden. Gehen wir die Themen mal durch.
Bitte.
Opel ist wie viele andere auch ein Hersteller in einem Umfeld, was von einem dramatischen Umbruch gekennzeichnet ist. Damit meine ich die ganzen Vorschriften zu Emissionen, zum Beispiel gilt ab 2020 die Grenze von nur noch 95 Gramm Kohlendioxid, CO2. Vor dieser Herausforderung steht jeder Autohersteller im Moment. Das wird viel Geld kosten. Und dann ist da noch das Thema der Elektrifizierung. Kann man mit E-Autos künftig überhaupt Geld verdienen und die CO2-Ziele erreichen? Wer die nicht erreicht, riskiert hohe Strafen. Und dieser ganze Umbruch kommt unabhängig vom Kauf durch PSA auf uns zu.
Was bedeutet das für Opel?
Die Frage ist: Wie schnell vollzieht sich der Wandel? Wenn wir uns anschauen, welche Wertschöpfung in einem elektrifizierten Antrieb drin steckt, dann sprechen wir von einem Siebtel der Wertschöpfung im Vergleich zu konventionellen Antrieben. Das sind also ungefähr ein Siebtel weniger Teile, das heißt da steckt insgesamt weniger Wertschöpfung drin. Die Herausforderung für alle ist also: Wie gestaltet man diesen Wandel? Da gibt es Bereiche in den Unternehmen, die in der Zukunft nicht mehr so stark oder gar nicht mehr gebraucht werden, wenn irgendwann die Vollelektrifizierung kommen sollte. Alle Hersteller müssen also neue Kompetenzen aufbauen und Beschäftigte anders qualifizieren. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch über die Nutzung der bestehenden Altersteilzeitmodelle Gedanken machen. Und das sind Themen, die wir mit PSA diskutieren müssen, wenn der Verkauf zustande kommt.