PSA hätte auf dem Genfer Autosalon viel zu erzählen gehabt. Vor etwas mehr als drei Jahren stand der französische Autokonzern mit seinen Marken Peugeot, Citroen und DS kurz vor der Insolvenz. Heute steht das Unternehmen gut da, schreibt dank gestraffter Produktion und Modellpalette wieder Milliarden-Gewinne. Das Ergebnis harter Arbeit.
Doch stattdessen geht es nur um ein Thema: Opel.
Mit dem am Montag verkündeten Deal verändert PSA den europäischen Automarkt. Mit mehr als 16 Prozent Marktanteil entsteht hinter Volkswagen eine neue Nummer Zwei. Ein „europäischer Champion“, wie PSA-Chef Carlos Tavares den neuen Konzern nannte.
Doch was folgt daraus? Für die Marke Opel, für die 19.000 Angestellten in Deutschland? Am Rande der Genfer Messe versuchen die Franzosen sichtlich, Befürchtungen der Deutschen im Keim zu ersticken. „Es wäre ein großer Fehler, Peugeot deutsch zu machen oder Opel französisch“, sagt etwa Maxime Picat, Europa-Chef von PSA.
Er will Opel als deutsche Marke erhalten. Trotz der PSA-Technik, die künftig unterm Opel-Blech steckt, sollen die Autos als Opel erkennbar bleiben. „In vielen Ländern“, so Picat, „ist es extrem wichtig, dass es eine deutsche Automarke ist“. Sprich: Mit Opel kann PSA mit seinen drei französischen Marken sein Portfolio sinnvoll erweitern.
Aus Sicht der Franzosen natürlich ein einleuchtender Schritt: Auf gemeinsamen Plattformen können unterschiedliche Autos gebaut werden – stellt man das intelligent an, können die unterschiedlichen Autos sogar auf ein und demselben Band produziert werden. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, denn so lassen sich Unterschiede der Marken bewahren, aber Synergien nutzen.
Es impliziert aber auch: Wo so effizient produziert wird – was derzeit noch an unterschiedlichen Orten passiert – fallen Werke oder zumindest Arbeitsplätze weg. Das hat auch PSA getan: Ein großes Werk wurde geschlossen, wenn auch ohne betriebsbedingte Kündigungen. „Rightsizing“ nennt Picat das.
Hintergründe zur PSA Group
Der vom Staat gestützte französische Autobauer PSA Peugeot Citroën hat im vergangenen Jahr weltweit über 3,1 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Der französische VW-Konkurrent mit den Marken „Peugeot“, „Citroën“ und „DS“ sieht sich in Europa schon länger als Branchenzweiter.
Konzernchef Carlos Tavares fuhr in den vergangenen Jahren einen harten Sanierungskurs unter anderem mit Werkschließungen und Jobabbau. Um das vor drei Jahren stark angeschlagene Unternehmen zu retten, schoss unter anderem der französische Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile.
Auch der staatlich kontrollierte chinesische Hersteller Dongfeng stieg 2014 bei dem Traditionsunternehmen mit 14 Prozent ein. Der Einfluss der Peugeot-Familie sank im Zuge der Sanierung hingegen beträchtlich.
Der Umsatz betrug im vorvergangenen Jahr 54,7 Milliarden Euro; neuere Jahreszahlen liegen nicht vor. Der Konzern beschäftigte 184.000 Mitarbeiter.
Unlängst schaltete die französische Antibetrugsbehörde nach Untersuchungen zu Diesel-Abgasen bei PSA die Justiz ein. Ein entsprechendes Dossier ging an die Staatsanwaltschaft. Es liegt nun an der Justiz, über eventuelle Folgen zu entscheiden. Der Konzern betonte, er habe seine Fahrzeuge niemals mit Betrugs-Software ausgestattet.
„Wir haben zuallererst unsere Kapazitäten angepasst, aber damit ist es nicht getan“, erläutert der PSA-Europa-Chef. Man habe „unzählige Stellschrauben“ angepasst. Etwa die Autos gezielt teurer gemacht – Peugeot war lange Zeit günstiger als die Konkurrenz – und konsequent die Kosten gesenkt. Im Einkauf, in der Verwaltung und Produktion.
Eine Blaupause für Opel will Picat in dem Turnaround von PSA aber nicht sehen. „Einige der Hebel, die wir bei PSA gefunden haben, lassen sich sicher auch bei Opel anwenden“, sagt der Franzose. „Aber eben nicht alle, da die Situation bei Opel eine andere ist. Wir werden helfen, wo wir können. Aber Opel muss den Turnaround selbst schaffen.“
Opel steht jetzt vor einer schwierigen Übergangsphase. Einige Modelle, wie etwa der in Genf vorgestellte Insignia, werden noch bis etwa 2025 mit Technik von General Motors gebaut. Mit jedem Modellwechsel sollen die Opel-Baureihen nach und nach auf PSA-Plattformen umgestellt werden. Doch das dauert Jahre – und deutlich länger als die von PSA zugesicherten Job-Garantien.
Dass dann Fahrzeuge von Opel, Peugeot und Citroen direkt gegeneinander antreten, stört Picat nicht. „Wir sehen das als Vorteil, weil wir in keine neuen Segmente eintreten, die wir nicht kennen“, meint der PSA-Manager. „Außerdem können wir so zwischen ähnlichen Modellen mehr Synergien erzielen, als zwischen einem Kleinwagen und einer Luxuslimousine.“
Noch viel wichtiger als die Synergien sei für PSA aber die Analyse des „Cross-Selling“ gewesen. „Die Befragungen zeigen, dass kaum ein Opel-Kunde einen Peugeot kaufen würde und umgekehrt – weil beide Marken in Europa in anderen Ländern aktiv sind“, sagt Picat.
Opels Produktionsstandorte in Europa
Am Opel-Hauptsitz arbeiten 14.850 Beschäftigte, davon gut die Hälfte im Entwicklungszentrum. Die Produktion hat rund 3000 Arbeitnehmer. Sie bauen den Mittelklassewagen Insignia in mehreren Varianten, den Zafira sowie Getriebe und Komponenten.
Quelle: Reuters, Stand: 19. April 2018
Der Standort in Rheinland-Pfalz hat 2130 Beschäftigte. Sie produzieren Motoren und Fahrwerkskomponenten.
In Thüringen laufen die Kleinwagen Corsa und Adam vom Band. Im Werk Eisenach arbeiten 1790 Menschen.
In dem polnischen Werk sind knapp 3050 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bauen den Kompaktwagen Astra und das Cabrio Cascada und den Sportwagen Opel GTC. In Tychy stellen 400 Beschäftigte Motoren her.
In dem spanischen Standort bei Saragossa laufen Corsa, Meriva, der SUV Mokka und der Stadtgeländewagen Crossland X vom Band. Der Standort hat 5170 Arbeitsplätze.
Im Werk Ellesmere Port arbeiten 1470 Beschäftigte. Hier werden ebenfalls Astra-Modelle produziert.
Der Standort Luton nördlich von London hat 1240 Arbeitnehmer und baut den Kleintransporter Vivaro.
In dem österreichischen Werk nahe Wien arbeiten 1330 Menschen. Dort werden Motoren und Getriebe hergestellt.
Die Fabrik in Ungarn produziert mit 1160 Arbeitnehmern Motoren und Komponenten.
Picat beschwichtigt, wo er kann. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig, denn vieles ist einfach noch unklar. „Wir haben ein Master Agreement unterschrieben“, sagt Picat. „Viele Details werden noch verhandelt.“ Er hoffe, dass alle weiteren Unterschriften bis Ende des Jahres getätigt seien.
Opel hat nach 88 Jahren im GM-Konzern eine neue Zukunft. Doch wie diese aussieht, zeichnet sich nur langsam ab.