Hafen von Baltimore Eingestürzte Brücke blockiert wichtiges Importterminal von Mercedes

Der Blick auf die Brücke in Baltimore. Quelle: via REUTERS

Nach dem Brückeneinsturz in Baltimore kündigt Biden finanzielle Hilfe an. Die Brücke und der Hafen sind wirtschaftlich bedeutend: Für mindestens einen deutschen Autobauer ist der Zugang zum Importterminal versperrt.

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Die eingestürzte Francis-Scott-Key-Brücke in Baltimore, deren Stützpfeiler in der Nacht zum Dienstag von einem großen Frachtschiff gerammt wurde, schneidet für mehrere deutsche Autobauer den Zugang zum wichtigsten Importhafen in den USA ab.

Viele Hersteller liefern über die zwei Terminals Dundalk und Fairfield ihre Fahrzeuge ins Land. So betreibt Mercedes in Fairfield einen großen Umschlagplatz. Eine Konzernsprecherin teilte auf Anfrage am Dienstagabend mit, dass das Stuttgarter Unternehmen nun mit seinen Logistikpartnern prüfe, seine Lieferwege in die USA anzupassen. Ins Detail wollte sie allerdings nicht gehen.

Satellitenbilder zeigen, dass die über eine große Länge eingestürzte Brücke den Zugang zu den beiden Terminals vermutlich auf Wochen versperren wird.

Mit einem blauen Auge dürften dagegen BMW und Volkswagen davon kommen: Die Wolfsburger und Münchener betreiben den Bildern zufolge ihre Verteilzentren vor der Brücke. Volkswagen hatte seine neue Anlage 2020 eingeweiht, BMW 2022. 


Baltimore ist der größte Importhafen für Automobile in den USA. 2022 wurden hier fast 600.000 Fahrzeuge ins Land gebracht. Zudem werden über den Hafen knapp 200.000 Autos jährlich exportiert. Betroffen von dem Einsturz der Brücke dürfte deshalb auch Tesla sein. Der Autokonzern nutzt das Terminal in Fairfield, um Fahrzeuge in alle Welt zu verschiffen.

Am Autoterminal in Dundalk ist mit der in Schweden registrierten „Carmen“ nun zudem ein riesiger Autotransporter gefangen.

Stromausfall an Bord – war Schiff navigationsunfähig?

Gegen 01:30 Uhr seien erste Notrufe eingegangen, berichteten die „New York Times“ und der Sender CBS News unter Berufung auf die Küstenwache und die Feuerwehr in der Nacht zu Dienstag. Auch die Besatzung des Containerschiffes hatten vor dem Zusammenstoß ein Notsignal abgesetzt. Dank des Signals wären Beamte in der Lage gewesen, den Verkehr zu stoppen, damit nicht noch mehr Autos auf die Brücke gelangten, sagte der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, bei einer Pressekonferenz.

Im Internet kursierende Überwachungsvideos von der Brücke, die zeigen, dass es offenbar kurz vor der Kollision zwei Stromausfälle an Bord des Schiffs gegeben hat. Die Probleme mit dem Strom bestätigte die Besatzung. Wenige Sekunden vor dem Einschlag wurde die Energieversorgung zwar wieder hergestellt. Doch der Containerriese könnte im entscheidenden Moment navigationsunfähig gewesen sein:



Die US-Küstenwache gab am Dienstagabend (Ortszeit) bekannt, dass die aktive Suche nach Überlebenden eingestellt werde. Angesichts der Wassertemperatur sei nach so vielen Stunden nicht mehr damit zu rechnen, dass noch jemand lebendig gefunden werde. Ein Vertreter der Küstenwache sagte, wegen der gefährlichen Strömung und Trümmerteilen im Wasser wolle man die Gesundheit der Rettungskräfte nicht aufs Spiel setzen.

Polizei und Rettungskräfte suchten nach dem Unglück über viele Stunden aus der Luft und im Wasser nach mehreren Vermissten – dabei kamen auch Taucher sowie Infrarot- und Sonartechnik zum Einsatz. Der Verkehrsminister von Maryland, Paul Wiedefeld, hatte gesagt, man gehe davon aus, dass es sich bei den Vermissten um Bauarbeiter handele. Sie hatten demnach auf der Brücke Schlaglöcher repariert.

von Volker ter Haseborg, Max Biederbeck, Rüdiger Kiani-Kreß, Thomas Kuhn

Wie viele Fahrzeuge sich zum Zeitpunkt des Einsturzes auf der Brücke befunden hatten, war demnach zunächst unklar.

Am Dienstagmorgen hieß es vonseiten der Schiffseigentümer, die Besatzung sei wohlauf. Die Ursache der Kollision müsse noch ermittelt werden, aktuell gehe man von einem Unfall aus, so Moore. Den Behörden zufolge gibt es keinerlei Hinweis auf Terrorismus. Das Containerschiff „Dali“ unter der Flagge Singapurs sollte von Baltimore aus nach Sri Lanka fahren. Auf dem Portal Marinetraffic hieß es, die „Dali“ habe den Hafen von Baltimore um 1 Uhr (Ortszeit) verlassen.

Experten rätseln über die Ursache, warum ein Containerfrachter eine Brücke in Baltimore zum Einsturz gebracht hat. Ein erfahrener deutscher Seemann hat eine plausible Erklärung.
von Thomas Stölzel

Maersk-Aktie gibt nach

Das Containerschiff war von der Reederei Maersk gechartert worden. „Wir sind entsetzt über das, was in Baltimore passiert ist“, teilte Maersk mit. „Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen.“

Maersk-Aktien büßten in Kopenhagen am Dienstagmittag um bis zu fünf Prozent ein:

Baltimores Bürgermeister Brandon Scott teilte auf X (vormals Twitter) mit, er habe Kenntnis vom Vorfall an der Francis-Scott-Key-Brücke und sei auf dem Weg dorthin. „Noteinsatzkräfte sind vor Ort und die Rettungsarbeiten laufen.“ Eine CBS-Reporterin vor Ort sagte, die Brücke sei „im Prinzip komplett verschwunden“.

Marylands Gouverneur ruft Notstand aus

Moore rief wegen des Zwischenfalls den Notstand aus. Dadurch kann er Hilfe des Bundes anfordern. Sein Büro stehe in engem Austausch mit US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, dem Bürgermeister von Baltimore, dem Vorstand des gleichnamigen Bezirks sowie den Rettungskräften, hieß es in einer am Dienstag auf der Plattform X veröffentlichten Erklärung von Wes Moore. Man arbeite teamübergreifend zusammen, um nun schnell auch von der US-Regierung Hilfe anfordern zu können.

Derweil kündigte US-Präsident Joe Biden bei einer Pressekonferenz weitreichende finanzielle Unterstützung an. „Ich beabsichtige, dass die Bundesregierung die gesamten Kosten für den Wiederaufbau dieser Brücke übernimmt“, sagte der Demokrat. „Und ich erwarte, dass der Kongress meine Bemühungen unterstützt.“ Er habe Marylands Gouverneur versprochen, jegliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Brücke wieder zu errichten und den Hafen von Baltimore „so schnell wie menschlich möglich“ wieder zu öffnen. Biden betonte zudem, man bete für die Opfer und ihre Angehörigen. „Ich weiß, dass sich jede Minute in diesen Umständen wie ein ganzes Leben anfühlt“, sagte der US-Präsident und lobte die fortlaufenden Anstrengungen der Rettungshelfer. „Wir werden das gemeinsam schaffen.“

Die Francis-Scott-Key-Brücke führt über den Patapsco River in der Metropole Baltimore im Nordosten der USA. Sie ist nach Angaben der Verkehrsbehörde Maryland mehr als 2,5 Kilometer lang, hat vier Fahrspuren und eine wichtige Verkehrsader an der Ostküste der USA. Laut Biden überquerten die Brücke vor dem Unfall rund 30.000 Fahrzeuge pro Tag. Die Brücke wurde im Jahr 1977 eröffnet.

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Baltimore ist der verkehrsreichste US-Hafen für Autotransporte. Zu den Autobauern, die über Baltimore In- und Exporte regeln, gehören Toyota, General Motors und Volkswagen. Demnach werden laut US-Präsident Biden um die 850.000 Fahrzeuge pro Jahr über den Hafen abgefertigt. Rund 15.000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Mehr als 40 Schiffe mussten nach dem Einsturz im Hafen bleiben. Mindestens 30 Schiffe waren noch auf dem Weg nach Baltimore.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AP und Reuters

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