Groko-Sondierungen Das zähe Ringen geht weiter

Für die Parteichefs Merkel, Schulz und Seehofer steht bei den Gesprächen in Berlin viel auf dem Spiel. Entsprechend zäh kommen die Sondierungen voran. In den frühen Morgenstunden ist noch nichts entschieden.

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Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner (von links nach rechts), Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) am Rande der Sondierungsgespräche. Quelle: dpa

Berlin Bis in die frühen Morgenstunden haben die Unterhändler von Union und SPD am Freitag um ein tragfähiges Gesamtergebnis ihrer Regierungssondierungen gerungen. Zentrale Probleme waren bis zuletzt die Finanz- und die Flüchtlingspolitik, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin erfuhr. Aber auch bei Themen wie Rente und Gesundheit hakte es. Teilnehmer erwarteten Verhandlungen bis zum Morgengrauen. Ein Scheitern der Sondierungen war bis zuletzt nicht ausgeschlossen worden, ebenso wie eine Vertagung.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz hatten am Donnerstagvormittag vor der voraussichtlich letzten Sondierungsrunde in Berlin den Willen zur Einigung bekräftigt. Zugleich war aber klar, dass noch „große Brocken“ aus dem Weg geräumt werden mussten.

Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gerungen. Nachdem immer wieder ein finanzieller Spielraum von 45 Milliarden Euro für eine künftige Regierung genannt worden war, summierten sich die Kosten für die in den Arbeitsgruppen ausgearbeiteten Einzelvorhaben noch am Donnerstagmorgen auf rund das Doppelte.

Darunter waren Vorschläge wie die Einführung einer solidarischen Lebensleistungsrente, mit der die Renten von langjährigen Geringverdienern aufgebessert werden könnten. Außerdem ging es um eine zusätzliche Unterstützung der Kommunen im zweistelligen Milliardenbereich.

Schwierig waren die Gespräche auch im Zusammenhang mit der SPD-Forderung nach einer Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent. Wenn diese Anhebung linear erfolgt, könnte dies auch niedrigere Einkommen treffen. Der Union sei es im Gegenzug wichtig, beim Abbau des Solidaritätszuschlages voranzukommen, hieß es.

Zugleich pochte die Union nach diesen Informationen auch angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die „schwarze Null“ im Haushalt - also den Verzicht auf neue Schulden.

Die Verhandlungen wechselten zwischen Sitzungen von Arbeitsgruppen, Sechser-Runden der Partei- und Fraktionschefs, getrennten Beratungen der einzelnen Seiten und der großen Gruppe der Unterhändler. Spätestens am Freitagmorgen wollten Merkel und Schulz ihren Gremien ein Ergebnis vorlegen. Die Berliner CSU-Landesgruppe wollte am Vormittag zu einer Sitzung zusammenkommen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte die Unterhändler an ihre Verantwortung. CDU, CSU und SPD seien nicht nur ihren Parteien und der eigenen politischen Zukunft verpflichtet, sondern hätten auch große Verantwortung für Europa und die internationale Politik, mahnte das Staatsoberhaupt beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps.

Schulz rückte zum Auftakt der Gespräche auch die Europapolitik in den Mittelpunkt. „Wenn wir in eine solche Regierung eintreten, dann unter der Bedingung, dass sie Europa stark macht“, sagte er vor der SPD-Zentrale, wo die entscheidende Runde stattfand. Schulz zeigte sich ebenso Merkel zuversichtlich, dass die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden könnten.

Als entscheidend galt, ob die Sozialdemokraten etwa bei den aus ihrer Sicht zentralen Gerechtigkeitsthemen ausreichende Verhandlungserfolge erzielen könnten. Die SPD-Spitze braucht nach ihrem Wahldebakel bei der Bundestagswahl für den Eintritt in Koalitionsverhandlungen die Zustimmung eines Parteitags, der am 21. Januar in Bonn stattfinden soll und als große Hürde gilt.

Die Jusos wollen Widerstand gegen eine Neuauflage der großen Koalition mobilisieren. Juso-Chef Kevin Kühnert will dafür unter anderem durch mehrere SPD-Landesverbände touren, wie er der dpa sagte.

Ein SPD-Projekt ist eine einheitliche gesetzliche Bürgerversicherung im Gesundheitssystem. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte auf die Frage, ob die SPD daran festhalte: „Wir kämpfen bis zum Schluss, das ist ja ganz klar.“ Die Union lehnt eine Bürgerversicherung ab.

Unter anderem beim Unkrautgift Glyphosat, das für Ärger in der bisherigen großen Koalition gesorgt hatte, haben Union und SPD bereits eine gemeinsame Position gefunden. Einig sind sich die Sondierer auch darin, Diesel-Fahrverbote vermeiden und generell Luftverschmutzung durch Autoabgase senken zu wollen. Das nur noch schwer erreichbare deutsche Klimaschutz für 2020 soll aufgegeben werden.

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