Gemeinschaftswährung Das Comeback des Euro

Der Euro ist so stark wie lange nicht. Welche Folgen aber hat die neue Euro-Stärke für die Wirtschaft? Ist sie Fluch oder Segen?

Der Euro ist so stark wie lange nicht mehr, nicht nur im Vergleich zum Dollar. Gut so. Die Kraft des europäischen Geldes schadet der Exportindustrie nicht – und steigert den Reformdruck.

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Lange Zeit galt der Euro als schwache Krisenwährung. Auf dem Höhepunkt des europäischen Schuldendramas im Jahr 2012 verspotteten ihn manche Experten bereits als einen Fall für das wirtschaftshistorische Seminar. Alles tempi passati, so scheint es jedenfalls. Zwar sind die strukturellen Probleme der Peripherieländer in der Währungsunion noch immer nicht gelöst, die wackelnden Banken in Italien und die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland zeigen dies. Doch an den Finanzmärkten scheint das kaum mehr jemanden zu interessieren. Dort jubelt man jetzt über das „Comeback des Euro“ und sieht in ihm den „neuen Star am Devisenmarkt“. Denn seit Jahresbeginn kennt der Wechselkurs des Euro nur eine Richtung: Nach oben.

Gegenüber dem US-Dollar hat die Gemeinschaftswährung seit Januar um 14 Prozent an Wert gewonnen. Gegenüber dem britischen Pfund beträgt das Plus sieben, gegenüber dem Schweizer Franken 6,3 Prozent. Packt man die 18 wichtigsten Handelspartnerwährungen des Euro in einen Korb, so hat der Euro ihnen gegenüber um insgesamt sechs Prozent aufgewertet.

Die Renaissance der Gemeinschaftswährung hat Ökonomen und Devisenhändler überrascht. Sie hatten ihm zu Jahresbeginn – damals notierte er bei 1,04 Dollar – das baldige Abrutschen unter die Parität zum Dollar vorhergesagt. Dass es anders gekommen und der Euro heute an den Devisenmärkten schwer angesagt ist, hat politische und ökonomische Gründe.

Politisch betrachtet ist die Euro-Stärke zu einem erheblichen Teil auch eine Dollar- und Pfundschwäche. In den USA hat Präsident Donald Trump die Märkte mit seiner Wirtschaftspolitik enttäuscht. Die von ihm im Wahlkampf in Aussicht gestellten Steuersenkungen sind bisher ebenso ausgeblieben wie das avisierte milliardenschwere Infrastrukturpaket. Weil die Konjunktur anders als erwartet nicht heiß läuft, kann die US-Notenbank sich mit Zinserhöhungen mehr Zeit lassen als gedacht. Das schwächt den Dollar.

Wie Europas Währungen ohne Euro auf- oder abwerten müssten
Das SzenarioDer US-Finanzriese Bank of America Merrill Lynch (BoA) wollte es genauer wissen: Analyst Athanasios Vamvakidis hat den Euro-Währungsraum unter der Maßgabe genauer unter die Lupe genommen, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und der Euro abgeschafft wird. Hintergrund sind neben den hohen Staatsschulden einzelner Peripheriestaaten vor allem das absehbare Ende der massiven Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB), das sogenannte OMT-Programm, und in der Folge wieder steigende Zinsen. Nur die Geldpolitik der EZB hat 2012 eine Eskalation der Staatsschuldenkrise verhindert, in dem die Kreditkosten für die Peripheriestaaten auf ein historisches Tief gedrückt wurden. Was also passiert, wenn das OMT-Programm endet? Quelle: dpa
Schatten-WechselkurseDie BoA-Experten erwarten, dass die EZB das OMT-Programm im kommenden Jahr reduziert und schrittweise auslaufen lässt. Dadurch würden auch die Finanzierungskosten der Staaten wieder ansteigen, obwohl es länger dauern dürfte, die Leitzinsen wieder anzuheben. Insgesamt rechnet die BoA dann mit höheren Schuldenquoten in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland als 2012 auf den Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise. Ohne einschneidende Reformen steigt somit das Risiko, dass die Euro-Zone auseinanderbricht. Dies vor Augen hat BoA-Analyst Vamvakidis Schattenwechselkurse für die nationalen Nachfolgewährungen gegenüber dem heutigen Euro berechnet. Diese legen Währungsunterschiede zwischen den Euro-Staaten offen, die derzeit durch die Gemeinschaftswährung verborgen sind. Quelle: dpa
GriechenlandGriechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone. Trotz spürbarer Fortschritte liegt die Überbewertung Griechenlands zusammen mit der Spaniens an der Spitze. Die griechische Drachme müsste deshalb nach heutigem Stand um 7,5 Prozent abwerten. Immerhin: Vor der Krise lag der Abwertungsbedarf eher bei 30 Prozent, insofern war die Verbesserung deutlich. Nur ein Land der Euro-Zone ist aktuell so stark überbewertet wie Griechenland. Quelle: dpa
SpanienMüsste Spanien zur Peseta zurückkehren, wäre laut BoA eine Abwertung der spanischen Währung um 7,5 Prozent erforderlich. Gegenüber dem Abwertungsbedarf vor der Krise von rund 14 Prozent ist das schon eine Stabilisierung. Allerdings haben sich Spaniens Staatsschulden seit 2008 nahezu verdreifacht. Dank der Geldpolitik der EZB hat sich die Zinsbelastung des Staates jedoch nur um 80 Prozent erhöht. Quelle: Fotolia
FrankreichBräche der Euro heute auseinander, müsste der Franc um fünf Prozent abwerten – und damit deutlich mehr als zu Vorkrisenzeiten. Damals lag die Überbewertung bei nur zwei Prozent. Insgesamt, so Studienautor Vamvakidis, sei die Überbewertung jedoch zu gering, um die Forderungen der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einem Frexit und einer anschließenden Abwertung des Franc zu rechtfertigen. Quelle: dpa
ItalienItalien bleibt etwas überbewertet, so dass die italienische Lire nur um drei Prozent abwerten müsste, um einen angemessenen Wechselkurs zu erreichen. Vor der Krise betrug die Überbewertung noch 7,5 Prozent. Seit 2012 ist die Zinsbelastung des Staates deutlich gesunken. Quelle: dpa
PortugalAuch in Portugal hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert, so dass der Escudo nach heutigen Maßstäben nur noch leicht, nämlich um ein Prozent abwerten müsste, um im Gleichgewicht mit den übrigen Euro-Staaten zu notieren. Quelle: dpa

In Großbritannien lastet die Unsicherheit über den weiteren Fortgang der Brexit-Verhandlungen auf der Stimmung der Unternehmen. Die Konjunktur hat sich abgekühlt, Zinserhöhungen rücken in weite Ferne. Das drückt auf den Wechselkurs des Pfundes.

Dagegen hat sich in der Währungsunion aus Sicht der Finanzmärkte das politische Umfeld verbessert. Der befürchtete Wahlsieg der rechtsextremen Marine Le Pen in Frankreich ist ausgeblieben, auch in anderen Ländern haben die Populisten an Zustimmung verloren. Nach der Bundestagswahl, so hoffen die Akteure an den Devisenmärkten, werden sich Frankreich und Deutschland darauf einigen, noch mehr Risiken als bisher gemeinsam zu tragen. Der Ausbau der Eurozone zu einer Transferunion schreitet voran.

Dass die deutschen Steuerzahler dabei am Ende die Dummen sind, interessiert an den Finanzmärkten niemanden. Das Kalkül dort lautet vielmehr: Wenn Deutschland für alles und jeden haftet, wird der Euro überleben.

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