FDP-Chef Christian Lindner „Mich nervt Wolfgang Schäuble“

Die Bürger sollten um mindestens 30 Milliarden Euro entlastet werden, meint der Chef der FDP. Wie das funktionieren soll und warum Christian Lindner nicht weiß, wann seine Partei im Bund wieder regieren wird.

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Christian Lindner will die FDP 2017 zurück in den Bundestag führen. Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Lindner, Sie wollen die Steuerzahler um 30 Milliarden Euro entlasten. Wie soll das klappen?

Christian Lindner: Mindestens 30 Milliarden Euro! Der Staat nimmt bis Ende des Jahrzehnts 100 Milliarden Euro mehr ein als jetzt. Daneben macht EZB-Chef Mario Draghi mit seiner völlig aus dem Ruder geratenen Zinspolitik den Finanzministern das Haushalten leicht, während die Bürger leiden. Diese historisch beispiellose Umverteilung von Privat zu Staat muss beendet werden. Der Verzicht auf den Solidaritätszuschlag, die Anpassung des Steuertarifs und erhöhte Freibeträge sind möglich und nötig. Wenn die Kamelle-Politik beendet wird, dann tangiert das weder „schwarze Null“ noch Investitionen.

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble will den Solidaritätszuschlag senken, wie er in der WirtschaftsWoche ankündigte. Also ist Ihre FDP voll auf Unions-Linie.

Wenn Schäuble das ernst meinte, würde er den Soli am 1. Januar 2017 abschaffen. Vor den Wahlen verspricht die Union das seit zehn Jahren, nach den Wahlen steigen die Belastungen. Union und SPD haben es geschafft, dass die Sozialversicherungsbeiträge 2017 auf über 40 Prozent steigen werden, obwohl wir Rekordbeschäftigung haben. Ich glaube, dass die Union uns Bürger entlastet, wenn wir das Geld im Portemonnaie haben.

Wie soll die Einkommensteuer sinken?

Wir wollen die Mitte der Gesellschaft entlasten, also von der Verkäuferin über den Facharbeiter bis zum Ingenieur. Das unterscheidet uns etwa von den Sozialdemokraten. Die SPD steht ja bei der Entlastung der Geringverdiener auf der Bremse, weil sie verhindern will, dass auch der Lehrer von einer Steuerreform profitiert.

Das ist schön, aber geht es Ihnen auch um die Leistungsträger? Soll der Spitzensteuersatz später greifen?

Er muss nicht geringer sein, sollte aber später greifen. Das ist die betriebliche Steuer des Mittelstands. Außerdem betrifft er längst Millionen und nicht nur Millionäre. Er setzt heute beim 1,3-Fachen des Durchschnittseinkommens ein, in den Sechzigerjahren griff er erst beim 18-Fachen des Durchschnitts. Wir brauchen Fairness, nicht nur bei der Einkommensteuer.

Was meinen Sie damit?

Eigentum darf kein Luxus für wenige sein. Die Baustandards werden immer aberwitziger, und die Niedrigzinsen lassen gerade in den Metropolen Grundstückspreise steigen und steigen. Zudem haben schwarze, rote und grüne Landesregierungen die Grunderwerbsteuer massiv erhöht. Ich bin daher für einen Freibetrag von 500.000 Euro für das Eigenheim, um die Hürden zu reduzieren. Denn die beste Altersvorsorge ist, später mietfrei wohnen zu können. Wir wollen ein Volk von Eigentümern statt Volkseigentum.

Ihre Partei hat im Bundestagswahlkampf 2009 schon einmal massive Steuersenkungen versprochen, konnte sie dann aber in der Koalition mit der Union nicht umsetzen.

Leider hat unser Koalitionspartner CDU damals direkt nach der Wahl eine gefährliche Krankheit durchlebt: eine Nachwahl-Amnesie. Angela Merkel hat einfach vergessen, was in ihrem Wahlprogramm zu Steuersenkungen stand. Sie hat uns Liberale gnadenlos auflaufen lassen. Das würden wir uns nicht noch einmal gefallen lassen. Außerdem haben wir eine weitere Lehre daraus gezogen: Steuerpolitik ist nicht mehr unser einziges Thema. Eine vernünftige Bildungspolitik ist ebenfalls wichtig. Außerdem wollen wir unser Land massiv modernisieren – beispielsweise durch den flächendeckenden Ausbau von Glasfaserkabeln.

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