KI–Sicherheitskonferenz Großbritannien strebt nach globaler KI–Führungsrolle

Das erste internationale Gipfeltreffen zum Thema Sicherheit von künstlicher Intelligenz (KI) in Großbritannien. Quelle: via REUTERS

Das vereinigte Königreich hält den ersten internationalen Gipfel zur KI-Sicherheit ab. Und doch reißen die USA die Vorreiterrolle wieder an sich. Glück im Unglück: Rishi Sunak darf Elon Musk interviewen.

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Rishi Sunak klingt ein wenig heiser, als er am Donnerstagnachmittag an das Rednerpult tritt. Kein Wunder: Die britische Regierung hat gerade zwei Tage lang das erste internationale Gipfeltreffen zum Thema Sicherheit von künstlicher Intelligenz (KI) abgehalten. Gekommen sind Vertreter von 28 Staaten, die Chefs führender Technologie-Unternehmen, und auch Forscher und Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppen. Der britische Premier hat hinter den Kulissen viele von ihnen zu Gesprächen getroffen.

Trotz der ramponierten Stimmbänder ist Sunak guter Dinge. Das Treffen habe eine „großartige“ Vereinbarung hervorgebracht, erklärt er selbstbewusst. 28 Staaten, darunter die USA, China und die EU sowie führende Tech-Konzerne hätten sich bereiterklärt, sich mit den potentiellen Risiken von KI-Modellen wie ChatGPT zu befassen.

„Bletchley-Abkommen“ soll KI regulieren

Die Bedenken im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz – also Computersystemen, die hochkomplexe Aufgaben ausführen können – reichen von der Bedrohung durch Desinformation bei Wahlen bis hin zu Systemen, die sich der Kontrolle entziehen und die Menschheit bedrohen könnten. Autoritäre Regime könnten KI nutzen, um biologische oder chemische Kampfstoffe zu entwickeln.

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Um das zu verhindern, sollen Technologiekonzerne wie Meta, Google, Amazon und OpenAI gemäß dem „Bletchley-Abkommen“ in Zukunft Regulierungsbehörden ihre KI–Modelle vorlegen. Die sollen diese dann auf mögliche Gefahren hin untersuchen – allerdings vorläufig nur auf freiwilliger Basis. Es ist das erste Abkommen dieser Art.

Der Schauplatz des Gipfels hätte kaum symbolischer sein können: Der Landsitz Bletchley Park, rund 70 Kilometer nordwestlich von London, war einst der hochgeheime Sitz der „Government Code and Cypher School“. Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten hier Codeknacker daran, den verschlüsselten Nachrichtenverkehr der Wehrmacht zu entziffern. Das angrenzende „National Museum of Computing“ erinnert an die Anfänge des Computerwesens. Zukunftsweisende Technologien also, kombiniert mit einem Verweis auf die so gerne als glorreich verklärte Vergangenheit des Landes.

Großbritannien mit Hegemoniebestrebung

Mit dem Gipfel greift Großbritanniens unübersehbar nach einer globalen Führungsrolle in Sachen KI. Und so erklärt Sunak, wenig bescheiden, sein Land sei in dieser Frage „jedem anderen Land“ voraus. Großbritannien hat erst vor wenigen Monaten die „Frontier AI Taskforce“ ins Leben gerufen, eine Forschungsgruppe, die sich mit der Sicherheit bestehender KI-Modelle befasst. Um diese Gruppe herum soll nun ein neues KI–Sicherheitsinstitut aufgebaut werden. Tech-Konzerne aus aller Welt sollen die Forscher dieses Instituts bei ihren neuen KI-Projekten zu Rate ziehen.

Rishi Sunak ist mit dem erfolgreich abgeschlossenen Gipfel zweifellos ein diplomatischer Coup gelungen. Zwar sind einige der größten Namen dem Treffen ferngeblieben: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ sich ebenso wenig blicken wie Bundeskanzler Olaf Scholz oder US-Präsident Joe Biden. Doch US-Vizepräsidentin Kamala Harris nahm an dem Gipfel teil, und auch EU–Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war zugegen. Tino Cuéllar, der Präsident des Thinktanks Carnegie Endowment for International Peace, sagte, der Gipfel sei in diplomatischer Hinsicht eine „bemerkenswerte Leistung“.

Der zweite Gipfel dieser Art soll in einem halben Jahr in Südkorea abgehalten werden. In einem Jahr soll Frankreich Gastgeber sein. Zudem soll es regelmäßige internationale Forschungsberichte zum Thema KI-Sicherheit geben. Als Vorbild soll der 1988 gegründete Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) dienen.

Nur bei der angepeilten globalen Führungsrolle muss London wohl Abstriche machen. So erließ US-Präsident Biden Anfang der Woche ein Dekret, das Technologie–Unternehmen dazu zwingt, Testergebnisse leistungsstarker KI-Modelle an die Regierung zu übermitteln, bevor sie diese öffentlich zugänglich machen. Vizepräsidentin Harris nahm eine Rede bei einer anderen Veranstaltung in London zum Anlass, um die Gründung eines eigenen Sicherheitsinstituts für Künstliche Intelligenz in den USA anzukündigen.

USA wollen keine Kontrolle an Vereinigtes Königreich abgeben

Britische Regierungsvertreter bemühten sich darum, auch das als Erfolg ihrer Initiative darzustellen. Die britische Regierung habe immer ein „Netzwerk“ von Sicherheitsinstituten weltweit angestrebt, erklärte Sunaks Amtssitz in der Downing Street eilig. Der CEO eines großen Technologie–Konzerns sagte der Financial Times hingegen, dass die USA ganz offensichtlich nicht dazu bereit gewesen seien, ihre „kommerzielle Kontrolle an das Vereinigte Königreich zu verlieren“.

EU-Vertreter wiesen zudem darauf hin, dass die EU bereits seit Jahren an einem Gesetz zur Sicherheit von künstlicher Intelligenz arbeitet. Darauf angesprochen, warum London offenbar in absehbarer Zukunft kein eigenes Gesetz dazu anstrebe, erklärte Sunak, dass man das Gefahrenpotential von KI zunächst erforschen müsse, bevor man die Technologie gesetzlich einschränke. „Man muss wissen, für was man überhaupt Gesetze erlässt.“ Das klang danach, als plane Sunak, den Sektor möglichst wenig zu regulieren – ein Widerspruch zu der Grundidee des Gipfels. Die oppositionelle Labour-Partei kündigte ihrerseits für den wahrscheinlichen Fall eines Regierungswechsels strengere Auflagen für Technologie-Unternehmen an, die KI-Modelle entwickeln.

Nach der Pressekonferenz, mit der das Gipfeltreffen endete, reiste Rishi Sunak rasch zurück nach London. Dort traf er den eigentlichen (und ausgesprochen kontroversen) Stargast des Gipfels: Elon Musk. Der Tesla-CEO und Besitzer des sozialen Netzwerks „X“, der nur am ersten Tag an dem Gipfel teilgenommen hatte, wartete dort auf ein Gespräch mit Sunak. Kritiker wiesen rasch darauf hin, dass Musk im Lauf einen Jahres aus dem einst hochangesehen Netzwerk Twitter eine Hochburg für Desinformationen, Verschwörungstheorien und rechtsextremes Gedankengut gemacht hat.

Gespräch zwischen schüchternen Tech–Nerds

Auch in der Downing Street hatte man offenbar die Sorge, dass eine Liveübertragung des Treffens mit dem bisweilen exzentrischen Unternehmer für Sunak peinlich werden könne. Daher stellte sein Amtssitz das Video des Gesprächs erst dann bereit, als es vorbei war. Und zwar auf „X“, wo sonst.

Das tatsächliche Gespräch verlief dann jedoch ohne Eklats. Stattdessen gab es einen Dialog zwischen schüchternen Tech–Nerds. Rishi Sunak eröffnete das Gespräch mit der etwas merkwürdigen Einleitung, dass er „sehr aufgeregt“ darüber sei, Musk interviewen zu dürfen. Musk revanchierte sich, indem er Sunak dafür dankte, dass er den Gipfel abgehalten hatte. Er sei grundsätzlich mit Regulierungen im Bereich KI einverstanden, sagte Musk dann. „Alles in allem wird KI höchstwahrscheinlich eine positive Kraft sein“, fügte er hinzu.

Die beiden Männer unterhielten sich über die Zukunft des Arbeitsmarktes (KI werde in Zukunft wahrscheinlich alle Arbeit verrichten, glaubt Musk) und über virtuelle Freunde auf Basis künstlicher Intelligenz. Sunak prahlte, dass die Kapitalertragsteuer in Großbritannien bei gerade einmal 20 Prozent liegt.

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Zum Ende des Gesprächs sagte Sunak, dass es wichtig sei, vor Wahlen gegen Desinformationen vorzugehen, zumal es im kommenden Jahr mehrere wichtige Wahlen geben werde. „Hier wahrscheinlich auch“, sagte Sunak dann, dessen Tory–Partei in allem Umfragen weit hinten liegt. Das Publikum lachte. Es war ein seltsamer Abschluss eines seltsamen Gesprächs.

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